In den vergangenen Jahren war das Outsourcing von Dienstleitungen im IT-Bereich für viele Unternehmen ein probates Mittel, um Kosten zu sparen und Geschäftsprozesse effizienter zu machen. Mit dem verlockenden Argument der Kosteneinsparung ließen sich viele Firmen auf einen Outsourcing-Deal ein. Was auf den ersten Blick verlockend erscheinen mag, sorgt in der Umsetzung jedoch oftmals für erheblichen Mehraufwand. Als typischer Anfängerfehler erweist sich, dass nur sehr generelle Outsourcing-Verträge geschlossen werden, die viel Spielraum für Interpretationen lassen. Der Dienstleister liefert nur ein Minimum der vereinbarten Leistungen, während der Auftraggeber eine maximale Leistung erwartet. Nach der vertraglich festgelegten Mindestlaufzeit werden Outsourcing-Verträge nicht verlängert, die IT-Leistungen müssen wieder firmenintern erbracht werden.
Wie lassen sich nun Fehler bei der Vertragsgestaltung vermeiden?
In den vergangenen Jahren haben sich einige “Best Practices” herausgebildet, mit denen man ein IT-Outsourcing-Projekt zum Erfolg führen kann. Gerade bei größeren Unterfangen, wie z.B. das Auslagern des Endgeräte-Services mit PCs, Laptops, Tablets sowie Druckern und Scannern oder der Auslagerung von Rechenzentrumsleistungen, sollten die folgenden Empfehlungen beachtet werden.
1. Teamarbeit bei der Vertragserstellung
Da Ausschreibungsdokumente und die sich daraus ergebenden Verträge komplexe Sachverhalte beschreiben, ist man gut beraten, ein Team aus verschiedenen Fachbereichen an der Vertragserstellung mitwirken zu lassen. Zunächst sollte ein Projektleiter eingesetzt werden, der die verschiedenen Teilaspekte der Vertragserstellung plant und die Fertigstellung zeitlich nachverfolgt.
Da das IT-Recht ein noch junges Rechtsgebiet ist, wird auf jeden Fall ein Jurist mit entsprechender Expertise benötigt. Wird ein internationaler Vertrag geschlossen, so erhöht sich das rechtliche Risiko weiter. Wenn der Auftraggeber kein eigenes Fachpersonal beschäftigt, sollte ein auf IT-Recht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei beauftragt werden. Die Kosten dafür werden sich später auszahlen.
Die Fachexperten aus der IT und den Fachabteilungen sollten die technischen und geschäftsrelevanten Inhalte des Vertragsentwurfs beisteuern. Der Vertrag sollte dabei nicht allzu technische abgefasst sein, generelle Beschreibungen der zu liefernden Dienstleistungen sind meist geeigneter. Um das inhaltliche und sprachliche Niveau der einzelnen Vertragsteile anzugleichen, sollte der Projektleiter oder ein eigens bestellter Qualitätsmanager regelmäßige Reviews des Dokuments durchführen bzw. durchführen lassen.
Die kommerzielle Bewertung des Outsourcing-Vertrags sollte durch einen versierten Einkäufer erfolgen, ggf. durch das IT-Controlling unterstützt. Falls im Rahmen des Outsourcings auch Mitarbeiter an den Auftragnehmer übergeben werden sollen, so ist die zuständige Personalabteilung sehr frühzeitig einzubinden.
2. Zeitplan aufstellen
Ist das Team für die Vertragsgestaltung benannt, dann kann man sich dem nächsten Erfolgsfaktor zuwenden, der zeitlichen Planung für Ausschreibung, Anbieterauswahl Vertragsabschluss und Migrationsprojekt. Wie bei den meisten IT-Projekten (und nicht nur dort) wird der erforderliche Zeitrahmen deutlich unterschätzt. Je nach Komplexität der auszulagernden Dienstleistung, kann bereits die Defintions- und Konzeptionsphase mehrere Wochen bis Monate in Anspruch nehmen. In der Praxis haben sich 6-12 Wochen für diese erste Projektphase bewährt. Für die Anbieterauswahl, die Vertragsverhandlungen und die Projektplanung des sich anschließenden Transitionsprojektes sollten Sie mindestens 6 Monate veranschlagen. Wenn die Tinte unter dem Vertrag trocken ist, beginnt die eigentliche Arbeit – die Transition des IT-Services zum externen Partner. In dieser Phase werden neue Problemstellungen und Widerstände aus der eigenen Belegschaft auftreten, die die technische Übergabephase weiter verzögert. Ein Service-Transition kann in Einzelfällen bis zu 1,5 Jahre dauern. Im Normalfall sollten aber 6-12 Monate ausreichen.
Nachdem ein (hoffentlich realistischer) Zeitplan erstellt wurde, kann ein weiter Grundstein für den Erfolg des Outsourcing-Projekt gelegt werden – das Glossar.
3. Glossar und Begriffsdefinitionen
Viele Begriffe im IT-Umfeld sind nicht eindeutig definiert und sorgen immer wieder für Verwirrung. Es empfiehlt sich, Begriffe in einem Glossar eindeutig zu definieren und dann im gesamten Vertrag auch konsequent anwenden. Was genau ist unter einem Software-Patch zu verstehen und was bedeutet der Begriff “Release Management”? Was bedeutet der Begriff “Endgerät”? Sind darunter nur die Arbeitsplatzrechner und Laptops der Mitarbeiter zu verstehen oder fallen auch Tablet-Computer und Smartphones unter diesen Begriff?
Mit den eindeutig geklärten Definitionen wird der Vertragstext sicherlich sehr eintönig und schwerer lesbar. Doch bedenken Sie, dass Sie nicht den nächsten Harry-Potter schreiben wollen, sondern einen weitgehend gerichtsfesten Outsourcing-Vertrag.
Keine Definition benötigen dagegen juristische Fachbegriffe wie Angebot, Haftung, Gewährleistung oder Schadenersatz. Details müssen aber auch hier geklärt werden, z.B. wie hoch die Haftung sein wird.
4. Outsourcing-Prozess planen & Betriebsmodell festlegen
Wenn der Vertrag geschlossen ist, dann kann endlich das Migrationsprojekt beginnen. Dieses Projekt wird üblicherweise in drei Phasen durchgeführt:
- Ist-Zustand – Current Mode of Operation (CMO)
- Durchführung der Transformation in den Ziel-Zustand – Transition Mode of Operation (TMO)
- IT-Betrieb im Ziel-Zustand: Future Mode of Operation (FMO)
Die einzelnen Phasen sollten im Outsourcing-Vertrag inhaltlich beschrieben sein, ebenso sollte ein Projektplan für jede Phase festgelegt werden. Auftraggeber und Auftragnehmer sollten sicherstellen, dass Änderungswünsche nach Vertragsabschluss einem vorab definierten Prozess unterliegen. Dafür hat sich der Begriff des “Change Request” eingebürgert. Darin beschreibt z.B. der Auftraggeber sein Änderungswunsch, der Auftragnehmer kann diesen dann bewerten und die die entstehenden Zusatzkosten oder -aufwände beziffern. Somit ist man vor bösen Überraschungen sicher.
Das Betriebsmodell (engl. Service Delivery Model) sollte im Vorfeld ebenfalls genau überprüft werden. Dabei sind insbes. die Support-Prozesse zu klären und zu definieren. Welche Best Practice-Modelle kommen zum Einsatz (z.B. ITIL). Wird ein Service Desk angeboten, wie werden Major Incidents bearbeitet? Welche Betriebsprozesse werden benötigt (Event Management, Problem Management, Release Management etc.)?
Kommt es zu Schwierigkeiten oder gar Streitigkeiten, so sollte ein geeigneter Konfliktmanagementprozess sowie Eskalationsprozess Anwendung finden. Es empfiehlt sich eine gegenseitige Kommunikationsmatrix aufzubauen und eine passende Governance-Struktur festzulegen. Welche regelmäßigen Meetings sollen stattfinden, wie sieht das Reporting aus, wer pflegt die “Configuration Management Database” (CMDB), welche Personen werden als Eskalationsinstanz benannt?
Ein weiter wichtiger Aspekt ist das Preismodell. Hierbei geht es vor allem um Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Preisgestaltung. Wo immer möglich, sollten Einzelnachweise (z.B. auf User-Basis) genutzt werden. Ist dies nicht möglich, so sollte ein Festpreismodell gewählt werden. Außerdem üblich sind Modelle nach Aufwand (Time & Material). Die Verrechnung nach Aufwand ist jedoch oftmals intransparent und sollte deshalb vermieden werden.
5. Vertragsstruktur
Aufgrund er komplexen und umfangreichen Regelungen eines IT-Outsourcing-Vertrags sollte eine modulare Vertragsstruktur gewählt werden. Dabei wird zunächst ein Rahmenvertrag geschlossen (engl. Master Service Agreement), der die grundlegenden juristischen Vereinbarungen beschreibt, die wichtigsten Regelungen der Zusammenarbeit sowie die Vertragslaufzeit benennt. In den untergeordneten Einzelverträgen finden sich Leistungsbeschreibungen inkl. der Service Level Agreements, Preislisten und Key Performance Indicators (KPIs). Diese Gliederung hat den Vorteil, dass Änderungen oder Aktualisierungen nur in den Einzelverträgen oder deren Anhängen durchzuführen sind. Der Rahmenvertrag bleibt unberührt. Weitere Einzelverträge lassen sich ohne weiteres ergänzen, Preislisten können in bestimmten zeitlichen Abständen aktualisiert werden.
Doch auch für die Vertragsdokumente sollte ein Änderungsverfahren beschrieben sein, um langwieirige Abstimmungen nach Vertragsschluss zu vermeiden.
6. Vertragslaufzeit
Bei der optimalen Vertragslaufzeit sollten Kriterien wie Komplexität, Marktumfeld und Projektaufwand für eine Migration berücksichtigt werden.Auf sehr kurze Vertragslaufzeiten von unter einem Jahr wird sich kein Auftragnehmer einlassen, extrem lange Laufzeiten von mehr als 5 Jahren sind wiederum für den Auftraggeber von Nachteil, da evtl. neue technologisch Entwicklungen nicht genutzt werden können oder günstigere Einkaufspreise beim Wettbewerb nicht realisiert werden können. Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist, klare Kündigungsbedingungen auszuhandeln, die ggf. auch den Abbruch der Migration zum Auftragnehmer berücksichtigen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, weiß schließlich schon der Volksmund.
Fazit
Einen IT-Outsourcing-Vertrag zu entwickeln ist eine anspruchsvolle und zeitintensive Aufgabe, die sich aber in der späteren Transistions- und Betriebsphase mehr als auszahlen wird. Der Vertrag bildet die Grundlage für ein effizientes Supplier-Management, da Leistungen, Performance und Preis klar definiert sind. Das Risiko eines Outsourcing-Deals wird deutlich verringert. Eskalationen und Streitfälle sollte auf Basis eines solchen Vertrags schnell aus der Welt geschafft werden, da die Erwartungen beider Parteien bereits beizeiten in den Vertrag eingeflossen sind.
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